Zora Arkus-Duntov, Motorsport-Enthusiast, Ingenieur und Leiter einer Versuchsabteilung beim amerikanischen Autohersteller General Motors, begann schon in den Fünfzigerjahren von Mittelmotor-Sportwagen zu träumen. Doch er musste sich noch bis 1960 gedulden, bis er das “Go ahead” erhielt, einen reinrassigen Rennwagen mit Motor hinter dem Fahrer zu bauen. Unterstützung erhielt er durch die Tatsache, dass Chevrolet dem Rennsport weniger skeptisch gegenüberstand und dass mit dem Chevrolet Corvair bereits ein Heckmotorauto in der Produktepalette war, das durchaus etwas positive Publicity bezüglich des für Chevrolet ungewöhnlichen Antriebskonzept brauchen konnte.
Als Erprobungsfahrzeug “verkauft”
Arkus-Duntov war klug genug, den vorgeschlagenen Prototypen intern weniger als Rennwagen und mehr als Testinstrument und Experimentalfahrzeug zu verkaufen. Schliesslich dachte man bereits über die nächste Corvette nach und da offerierte ein derartiges “Testbett” viele Möglichkeiten. Doch im Innern strebte der gebürtige Belgier Arkus-Duntov auch rennsportliche Erfolge an und konzipierte das CERV I (Chevrolet Engineering Research Vehicle Nummer 1) mit Hinblick auf Teilnahmen beim Pikes Peak Bergrennen, aber auch auf mögliche Indianapolis-Einsätze.
Innovative Lösungsansätze
Der Bau von CERV I (bereits damals dachte man wohl auf weitere Varianten nach) begann früh im Jahr 1960, doch andere Projekte verzögerten die Fertigstellung des Prototyps bis in den Spätsommer desselben Jahres. Offiziell vorgestellt wurde das Experimentalfahrzeug dann noch einige Monate später und die Presse, insbesondere die Automobil Revue, widmete dem innovativen Fahrzeuge viel Aufmerksamkeit.
Es wurde auch einiges geboten, was bei Chevrolet sicherlich nicht zum Standard gehörte in jener Zeit.
Ein Chrom-Molybdän-Stahlrohrrahmen von 57 kg Gewicht bildete die tragende Basis des 4,37 Meter langen und 1,32 Meter breiten Einsitzers. Die Räder waren rundum einzeln aufgehängt, vorne an doppelten Dreieckslenkern, hinten an Schwingachsen, wobei die Radführung von Quer- und Längslenkern, sowie den Antriebsachsen übernommen wurde.
Zur Verringerung der ungefederten Massen waren die hinteren Trommelbremsen direkt am Differential angebracht. Auch vorne wurden mit Hochleistungstrommelbremsen verzögert, für die Beläge wurde Sintermetall genutzt.
Der Motor sass in der Mitte des Fahrzeugs, das Viergang-Getriebe war mit Motor und Differential verblockt. Unterschiedliche Radkonfigurationen (von 5,5 bis 8 Zoll Breite) und 13 verschiedene Übersetzungen standen zur Auswahl.
Viel Leistung im Heck
Das Sahnestückchen aber war der Motor, der von den Corvette-Aggregaten abgeleitet war, aber fast alle Finessen aufwies, denen Arkus-Duntov habhaft werden konnte.
4637 cm3 gross war der Hubraum, der sich auf acht in V-Stellung angeordnete Zylinder verteilte.
Wie die Serienmotoren verfügte der nur 159 kg schwere Motor, dessen Block, Kopf, Kupplungs- und Anlassergehäuse sowie dessen Schwungrad und andere Teile aus Aluminium bestanden, über eine zentrale Nockenwelle, die hängende Ventile steuerte.
Dank Benzineinspritzung, die mit Magnesiumgehäuse ebenfalls auf Leichtbau getrimmt war, leistete der Motor beeindruckende 355 SAE-PS.
Gute Platzverhältnisse und Besonderheiten für den Fahrer
Aus heutiger Sicht waren die Platzverhältnisse im Monoposto beinahe feudal und dem Fahrer stand je nach Präferenz zusätzlich zum in der Mitte angeordneten Bremspedal ein weiteres links vom Kupplungspedal zur Verfügung, links bremsen war so ein Kinderspiel.
Zur optimalen Gewichtsverteilung, das ganze Fahrzeug wog nur 725 kg, hatte man die aus synthetischem Gummi gebauten Treibstofftanks mit insgesamt 76 Litern auf Höhe des Schwerpunkts angeordnet und auf beiden Seiten des Cockpits verteilt.
Designer-Haut
Die Aussenhaut aus dünnwandigem Fiberglas stammte aus der Hand von Larry Shinoda und Tony Lapine. Sie wog insgesamt nur 36 kg, was den Unterboden einschloss. Natürlich stand aerodynamische Effizienz hoch im Pflichtenheft, aber man kann den Designern nicht vorwerfen, dass sie nicht auch nach Ästhetik trachteten.
Kein Erfolg im Rennsport
Bereits im September 1960 brachte Arkus-Duntov den Monoposto zum Pikes Peak, doch es zeigte sich, dass der Wagen für die staubige Bergstrecke nicht geeignet war. Sofort schwenkte man um und suchte das Glück auf den Grand-Prix-Rundstrecken. In Riverside fuhren unter anderem Stirling Moss, Dan Gurney und Arkus-Duntov den Wagen. Mit gut zwei Minuten als beste Rundenzeit, gefahren von Gurney und Moss, machte sich der Wagen gar nicht schlecht.
Nach Hochgeschwindigkeitstestfahrten auf der GM-Teststrecke trachtete Arkus-Dunton danach, den von Bill France Sr. ausgesetzten Preis von USD 10’000 für die erste Daytona-Runde über 180 Meilen pro Stunde zu gewinnen. Doch er schaffte nur 162 Meilen pro Stunde und resümierte, dass man mehr Leistung benötigen würde.
Der Motor wurde weiterentwickelt, dank Turboaufladung und höherer Verdichtung kam man auf über 500 PS bei 6000 U/min. Der Motor war so stark, dass der Wagen abzuheben drohte bei starker Beschleunigung. Also passte Shinoda die Karosserie so an, dass sie mehr Abtrieb generierte.
Stetige Weiterentwicklung
Bis 1964, als bereits der indirekte Nachfolger CERV II mit deutlich konventionellerem Aussehen unterwegs war, wurde CERV I weiterentwickelt und immer wieder umgebaut. Als letzten (und siebten) Motor baute man einen 377-cu-V8 mit Hilborn-Einspritzung ins Heck des Prototyps, der spektakuläre Leistungswerte bot und den Monoposto auf Testfahren auf 206 Meilen pro Stunde beschleunigte.
Gerettet und restauriert
Eigentlich hätte das Experimentalfahrzeug nach seiner aktiven Nutzung wie bei GM üblich zerstört werden müssen, doch Arkus-Duntov konnte den Wagen retten mitsamt dem zuletzt eingebauten Motor. 1972 ging CERV I zusammen mit seinem Nachfolger CERV II an das Briggs Cunningham Museum in Costa Mesa, doch 1986 übernahm Miles Collier die beiden CERV-Fahrzeuge zusammen mit vielen anderen Exponaten des Museums.
Noch einmal wechselte CERV I den Besitzer und tauchte daraufhin an einigen wichtigen Veranstaltungen auf.
In vielem Vorläufer der Corvette C2
Blieb auch der Rennsport-Erfolg aus, so darf CERV I als wichtigen Einfluss für die gesamte Corvette-Entwicklung gesehen werden. Die Art der Hinterradaufhängung wurde über Jahrzehnte im Heck der Corvette verbaut und auch bezüglich der Verwendung von Aluminium im Fahrzeugbau wies das Experimentalfahrzeug in die Zukunft.
Quellenangabe: https://www.zwischengas.com/de/FT/fahrzeugberichte/Chevrolet-CERV-I.html