Diese Spezialisten haben hunderte Citroën vor der Schrottpresse gerettet

Jean-Michel Gallet ist der autodidaktische und kommunikative Gründer von SM2A in Frankreich. Ein kleines Reich, das sich auf Citroën DS und SM spezialisiert hat und Besitzer aus der ganzen Welt anlockt, die hier ihre Autos restaurieren lassen wollen…

Jean-Michel Gallet war lange Zeit so etwas wie ein UFO der Klassikerszene. Sein Betrieb liegt außerhalb der nur rund 1000 Einwohner zählenden Gemeinde Mussy-sur-Seine im französischen Département Aube. Direkt neben der früheren Route Nationale 71, die heute nur noch die D671 ist und nach Troyes führt. Es ist eine Region Frankreichs, die während des Zweiten Weltkriegs ihrer früheren Industrien beraubt wurde und erst durch einen sanften Tourismus und den Erfolg des Champagners einen leichten Aufschwung erlebt.

Nachdem Gallet schon in einem Citroën DS gezeugt worden war und danach mit seinen Eltern in deren DS21 durch Europa gereist war, wurde er sehr schnell ins kalte Wasser des Maschinenbaus geworfen. „Ich unternahm meine ersten Schritte schon mit sieben Jahren, indem ich von Hand Aluminiumteile im Sandgussverfahren herstellte. Dazu begleitete ich meinen Großvater, der eine Aluminiumgießerei besaß, zu seinen Kunden“, erinnert sich Gallet. „Durch ihn lernte ich zu beobachten und zuzuhören.“

Neugierig auf alles bis hin zum Perfektionismus unternahm Gallet mit 14 Jahren einen großen Schritt nach vorn: Indem er in die Eingeweide eines Citroën eintauchte, um direkt am Objekt die gesamte Mechanik des von einer Benzineinspritzung gespeisten DS21 zu studieren und zu verinnerlichen. Es war das Auto, das wegen seiner Komplexität niemand ohne Not reparieren wollte. Anders Gallet, liegt Citroën doch in den Genen der Familie. „Wir haben immer Citroëns gefahren,” sagt Gallet stolz, „und das aus gutem Grund – sie sind die besten Wagen der Welt!“

Sowohl die Liebe zur Marke mit dem Doppelwinkel als auch sein Durst, mechanische Probleme zu lösen, verließ Gallet nie. „Mit 16 schraubte ich an meinem ersten Enduro-Bike, einer Yamaha 125 DTMX, herum. Doch zugleich wartete ich auch schon den Citroën DS21 unserer Familie“, erklärt er. „Und mit 17 kaufte ich einen Maserati-Motor, der aus dem Citroën SM, über das französische Fachmagazin La Vie de l’Auto, um ihn zu studieren und zu verstehen.“

Bald sprach sich Gallets technisches Können herum und er wurde mit alten Citroëns regelrecht überhäuft. „Sehr bald erhielt ich DS für wenig Geld oder sogar für umsonst – zeitweise standen bei mir gleichzeitig bis zu 60 ‚Göttinnen‘ auf dem Hof. Und ich habe während meiner Karriere sicher über 300 von ihnen auseinandergenommen.“

Im Alter von 22 Jahren konnte sich Gallet endlich einen zum Teil zerlegten SM kaufen – und ihn wieder zusammenbauen. In der Zwischenzeit legte er an der Berufsschule zwei CAP-Abschlüsse (Certificat d’aptitude professionnelle) in Schadensachbearbeitung und Fräsen ab – Qualifikationen, die ihm bis heute zugute kommen. Nur einmal, in seinen frühen Zwanzigern, arbeitete er für jemand anderen: Roland de la Poype, Pionier der Kunststoffindustrie und 1970 Gründer des Marineland in Antibes. „Er war ein außerordentlich passionierter Mann“, denkt Gallet zurück. „Indem ich für ihn Prototypen entwickelte, erweckte er in mir den Wunsch und Antrieb, etwas Eigenes zu kreieren und den nächsten Schritt zu tun.“

Und so kehrte Gallet im Alter von 25 Jahren nach Mussy-sur-Seine zurück. Schaffte gebrauchte Werkzeugmaschine an, um damit seine eigenen Automobilteile zu fertigen. 1989 traf er Marc Nicolosi, Gründer der berühmten Pariser Oldtimermesse Rétromobile, auf der er dann 1989 erstmals seine Teile ausstellte. „Nicolosi war eine Art Geburtshelfer meiner Karriere.“

Dank einer landesweiten Kundschaft wuchs Gallets Fima, die sich bis hin zum Sandstrahlen ganzer Karosserien mit der gründlichen Restaurierung von Fahrzeugen beschäftigte. 2002, als sich sein Vater Jean-Pierre in den Ruhestand verabschiedete und die Gießerei schloss, gründete Jean-Michel SM2A und erhielt bald Unterstützung von seinem Bruder Laurent, dem er alle Karosserie- und Lackierarbeiten übertrug. 2012 wurde mit dem Einstieg seines Sohnes Nicolas – der Kenntnisse in 3D-Berechnungen und einen Masterabschluss in Rennwagendesign mitbrachte – SM2A zu einem echten Familienunternehmen.

Das neben den drei Gallets noch vier weitere Mitarbeiter beschäftigt und eine mittlerweile globale Kundschaft betreut. Zwar sind die Werkstätten von der vorbeiführenden D671 nahezu unsichtbar, doch erlebt jeder, der sie zum ersten Mal betritt, einen wahren Schock.

In der ehemaligen Fabrik für Matratzen geht es geräumig zu und kaum ist man drinnen, fühlt man sich in einen Film von Claude Chabrol versetzt. Die Dächer, Trennwände und Türen sind alle unverändert und nicht weniger als 40 Werkzeugmaschinen, die Gallet auf kleinen regionalen Auktionen ersteigert hat, warten auf Arbeit. „Jedes Mal, wenn eine Fabrik schließt, werden diese Maschinen, einst der ganze Stolz unserer Industrie, für einen Spottpreis verkauft, primär, um das Metall zu retten“, erklärt Gallet. „Wenn Sie nicht zu schwer sind, transportieren wir sie mit unserem Citroën DS Tissier hierher und geben ihnen ein zweites Leben.“ Ehe ein Teil vor Ort produziert wird, wird es von Gallets Team zuerst in 3D modelliert. Außergewöhnlich!

Das Werk ist in verschiedene Arbeitsbereiche aufgeteilt – mit Räumen für Kugelstrahlen, Bohren, Schleifen und maschinelle Bearbeitung; dazu Beizen, Schmirgeln und Lackieren. Nicht zu vergessen das Ersatzteillager und der Endmontagebereich, von dem aus es zu Tests auf den umliegenden Straßen geht.

Im Hintergrund stehen unter gläsernen Überdachungen Dutzende DS im „Scheunenfund“-Zustand. Und warten geduldig auf bessere Zeiten zurück auf der Straße. Gleich daneben der wilde SM Tissier, mit seinen insgesamt vier Achsen, der rechtzeitig zum 50. Jubiläum des SM auf der Rétromobile im Februar vollständig restauriert sein wird. „Ich habe ihn als Wrack gefunden, und bald wird er der schnellste Abschleppwagen der Welt sein“, freut sich Jean-Michel. Neben seinen Citroëns kümmert sich der Workaholic auch noch um das Wohl von Maserati Boras und Ghiblis.

Seit dem Einstieg seines Sohnes hat sich SM2A nun auch für 3D-Engineering und digitale Werkzeugmaschinen geöffnet. „Citroën DS und SM sind großartige Autos. Doch wollen die Leute heute alte Autos mit den Vorteilen moderner Fahrzeuge, speziell in Bezug auf Zuverlässigkeit und Leistung. Also geben wir ihnen genau das – als einzige, die modernisierte Citroëns herstellen, weil wir alle dazu nötigen Maschinen, Materialien und Technologien sowie die nötige Expertise besitzen.“

Elektronische Zündung und Einspritzung oder andere Innovationen sind daher keine Tabus – SM2A hat erfolgreich Citroën DS, SM und Maserati Merak zurück auf Topform gebracht. Jedes Jahr werden im Schnitt 18 SM-Motoren neu aufgebaut und 2019 hat Gallets Truppe vier Maserati komplett restauriert. Wenn er daran denkt, wird Jean-Michel fast lyrisch: „Ein Auto wie einen DS oder SM zu restaurieren, ist vergleichbar mit der Erziehung eines Kindes  – eine Osmose zwischen dem Kunden und den Handwerkern.“

Gallet nutzt sein profundes Wissen über diese komplexen Modelle, um die Dinge noch einen Schritt weiter, ja auf die Spitze zu treiben. Er will ein Auto bauen, von dem er schon immer geträumt hat: den ultimativen Citroën SM, eine wahre „Concorde für die Straße“. Einen passenden Namen für diesen definitiven Citroën Restomod hat er schon: SM2. Bleiben Sie also auf Classic Driver, denn wir werden dieses Auto schon bald hier vorstellen…

Quellenangabe https://www.classicdriver.com/de/article/autos/diese-spezialisten-haben-hunderte-citroen-vor-der-schrottpresse-gerettet

Text: Etienne Raynaud / Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2019 

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