Sportliche und elegante Granturismo-Cabriolets haben bei Ferrari eine lange Tradition. Sowohl von den 250-er-Baureihen als auch den Nachfolge-Serien 330/365 GTC gab es offene Versionen. Beim 1971 erschienenen Ferrari 365 GTC/4 allerdings verzichtete das Werk auf ein Angebot für Sonnenanbeter. In die Lücke sprangen private Karosseriebauer.
Nachfolgelösung
Auf dem Genfer Autosalon im März 1971 stand der Nachfolger des zweisitzigen Ferrari 365 GTC, der zwar den grössten Teil des Namens geerbt hatte, designmässig und technisch aber eher dem 365 GTB/4 Daytona nahestand und diese Nähe auch mit der Zusatzbezeichnung “/4” kundtat.
Wie beim Daytona sorgten vier obenliegende Nockenwellen für die Ansteuerung der 24 Ventile, die in Zusammenareit mit sechs Doppelkörper-Horizontalvergaser der Firma Weber dem V12-Motor mit insgesamt 4,4 Liter Hubraum 340 DIN-PS bei 6600 Umdrehungen entlockten. Im Gegensatz zum Daytona (Transaxle) war das Getriebe beim GTC/4 direkt mit dem Motor verblockt.
Das Design entstand wie üblich bei Pininfarina, als Zeichner sorgte Filippo Sapino für eine flüssige Linienführung, die allerdings nicht allen Beobachtern auf Anhieb gefiel.
Mit zwei vollwertigen und zwei Behelfssitzplätzen, sowie rund 300 Liter Kofferraumvolumen war der 365 GTC/4 zwar kein Raumwunder, aber doch vergleichsweise praktisch, was durch die serienmässige Servolenkung noch verstärkt wurde. Einzelradaufhängungen und Scheibenbremsen rundum sorgten für Fahrsicherheit und Komfort. Ein Leichtgewicht war das Coupé nicht, gemäss Werk zeigte die Waage für den leeren Wagen 1450 kg an. Mit 457 cm Länge, 178 cm Breite und 127 cm Höhe würde man den Ferrari heute zu den kompakten Sportwagen zählen.
Das (vorläufige) Ende einer Linie
Vor allem der amerikanische Markt wurde mit dem Ferrari 365 GTC/4 angepeilt, allerdings wurden von den 505 gebauten Wagen nur deren 150 in die USA verschifft. Mit einem Preis von DM 75’092 oder CHF CHF 79’000 war der 2+2-Sitzer je nach Markt etwas kostspieliger oder günstiger als der Daytona, gehörte also zu den teuersten Autos insgesamt, was den Käuferkreis natürlich einschränkte.
Schon nach zwei Jahren Bauzeit wurde die Produktion ohne direkten Nachfolger eingestellt. Der 1972 vorgestellte Ferrari 365 GT 4 2+2 übernahm zwar die Technik des GTC/4 (mit verlängertem Radstand), er ging optisch aber komplett andere Wege und bot nun noch mehr Platz im Innern.
Keine offene Variante ab Werk
Was dem Erfolg des Ferrari 365 GTC/4 (vor allem in den USA) vermutlich etwas im Wege stand, war die fehlende Cabriolet-Version. Während es früher den offenen 330/365 GTS gegeben hatte und auch vom Daytona eine Spider-Variante existierte, verzichtete Enzo Ferrari beim GTC/4 auf die Bauform mit Stoffdach, wohl auch wegen der damaligen Unklarheiten in der amerikanischen Gesetzgebung.
Dabei bot gerade das schwungvolle Frontmotor-Coupé eigentlich gute Voraussetzungen für eine Cabriolet-Umwandlung und auch der Rohrrahmen, der als tragende Struktur für Stabilität sorgte, war eine zielführende Grundlage.
Private Umbauten
Was das Werk nicht liefern wollte, bauten private Firmen für zahlungsbereite Kunden. Einer dieser Anbieter, der unter anderem auch Daytona Coupés zu Spidern umwandelte, war Autokraft in Grossbritannien. Die Blechkünstler in Shalford schnitten das Dach ab, gestalteten die Heckpartie um und nähten eine passende Stoffmütze zusammen. Meist wurden diese Umbauten nicht an Neuwagen, sondern an gebrauchten Coupés vorgenommen.
Das fotografierte bereits im Juni 1971 gebaute Coupé wurde dieser Prozedur in den Neunzigerjahren unterzogen und dann auf der London Motor Show zwischen dem 21. und 31. Oktober 1993 präsentiert.
Gelungene Verwandlung
Der Umbau zum Cabriolet darf als geglückt bezeichnet werden. Die Linienführung “stimmt” und manchem Betrachter gefällt die offene Version sogar besser als das Coupé. Das Faltdach liegt nicht zu stark auf am Heck und wird durch eine Persenning abgedeckt. Die hinteren Sitze konnten erhalten bleiben.
Frühlingserwachen
Als Besitzer eines GTC/4 Spiders konnte man sicherlich kaum warten, bis der nächste Frühling kam. Mechanisch identisch mit dem Coupé startet auch das Cabriolet problemlos und verfällt in einen gleichmässigen Leerlauf, sobald sich die Weber-Vergaser einmal koordiniert haben. Der Einstieg in den Spider gelingt vor allem bei offenen Dach problemlos und die Sitzposition ist angenehm, auch wenn man sich noch etwas mehr Verstellmöglichkeiten wünschen würde.
Das Fünfganggetriebe lässt sich gut und direkt schalten, die Servolenkung ist angenehm direkt und leichtgängig. Die Rundumsicht ist sehr gut und selbst der Blick nach hinten offenbart nur geringe Sichtbeschränkungen.
Vor allem aber begeistert das Zwölftonkonzert mit Ansaugeräuschen der Weber-Vergaser, Auspufftrompeten vom Heck und einer Beimischung von mechanischen Lautäusserungen.
Das Fahren in diesem “Spider” macht wirklich Spass, Kraft ist jederzeit genug vorhanden und auch das nicht unbeträchtliche Gewicht von über 1,7 Tonnen (inklusive Besatzung) stört kaum.
Für’s Bergrennen ist der Ferrari natürlich weniger geeignet als für das Cruising am Lido.
Eher günstiger als das Coupé
Im Gegensatz zum Daytona, wo originale Spider bis zum Vierfachen des Coupés kosten, sind zum Cabriolet umgebaute 365 GTC/4, die eigentlich dann 365 GTS/4 heissen sollten, eher günstiger als ihre original belassenen Coupé-Kollegen. Der Hersteller Ferrari soll im Nachhinein fünf der Cabriolet-Konversionen sanktioniert haben, umgebaut wurden aber mehr Autos.
Als Anlageobjekt taugt der geöffnete 365 GTC/4, von dem es höchstens ein knappes Dutzend Exemplare gibt, daher nur bedingt, als Quell der Fahrfreude aber umso mehr. Und dieses Fahrvergnügen bietet der Spider zu einem Bruchteil des Betrags, den ein offener Werks-Daytona kosten würde.