Lancia 037 Rally – der letzte Klassiker im Rallye-Sport

Als man im Fiat-Lancia-Konzern über einen Nachfolger des Fiat 131 Abarth als Rallye-Einsatzfahrzeug nachzudenken begannt, stand jener gerade in seiner grössten Blüte. Walter Röhrl  errang im Frontmotor-Fiat mit Heckantrieb den Fahrer-Weltmeristerschaftstitel, insgesamt fuhr der Wagen bis 1981 20 WRC-Siege ein. Eindrücklich für ein derartig konventionell gebautes Auto.

Doch die für 1982 angekündigten Reglementsanpassungen und die neue Gruppe B wiesen einen neuen Weg, mit einem optimierten Strassenfahrzeug war da kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

Ritmo, Delta oder Montecarlo

Also begann man in Turin am idealen Rallye-Auto zu bauen, hatte dabei sowohl die eigene Geschichte mit Lancia Stratos und Fiat 131 Abarth im Hinterkopf als auch die Überlegungen der Marketing-Leute, die natürlich einen Serienbezug wollten. Da man einen Gruppe-B-Rennwagen eher im Markenumfeld von Lancia sah, fiel der Fiat Ritmo als Basis schon einmal aus dem Rennen, der Lancia Delta wollte von seinem Layout auch nicht zur angepeilten Richtung passen. Also entschied man sich für den Lancia Montecarlo als Genspender.

Fast komplett neu

Viel blieb allerdings vom Serien-Montecarlo nicht übrig. Einzig die Fahrgastzelle konnte man in Teilen verwenden, vorne und hinten aber schweisste man einen Rohrrahmen an das Mittelteil, den Motor baute man längs anstatt quer hinter die Fahrgastkabine, um mehr Freiheiten bei der Gestaltung der Aufhängungen zu erhalten.

Die Karosserie wurde bei Pininfarina gestaltet, verantwortlich zeichnete Ingeniere Fioravanti. Er leistete ganze Arbeit. Das Ergebnis sah aus wie ein Montecarlo auf Steroiden.

Rennsporttechnik für den Rallye-Einsatz

Bereits im Dezember 1981 wurde die Rennsportversion des damals noch Lancia Rallye Abarth genannten Mittelmotorsportwagens vorgestellt.

Dem 1995 cm3 grossen Motor mit 16 Ventilen und zwei obenliegenden Nockenwellen wurden 310 PS bei 8000 Umdrehungen zugestanden. Seine Besonderheit war der über einen Zahnriemen angetriebene volumetrische Kompressor, den die Fiat-Ingenieuren einem herkömmlichen Turbolader vorgezogen hatten.

Befragt nach den Gründen gaben die Techniker im Jahr 1981 folgendes zu bedenken:
“Der Turbolader bringt zwar mehr Leistung, aber ein Turbomotor reagiert beim Gasgeben mit einer gewissen Verzögerung, weil vorerst Druck im Turbosystem aufgebaut werden muss. Und gerade bei Rallyes ist diese Verzögerung besonders nachteilig. Unser volumetrischer Kompressor wird hingegen verzögerungsfrei von Zahnriemen angetrieben. Diese Art des Antriebes verschlingt zwar mehr Leistung, aber die Reaktion des Motors auf Gasgeben ist verzögerungsfrei; wie bei einem Saugmotor, was bei Rallyes besonders vorteilhaft ist.”

Das Benzin wurde dem trockensumpf-geschmierte Renn-Motor via indirekte Bosch-Einspritzung eingeflösst. 960 kg schwer war die Rennversion, mit 2,445 Meter Radstand war der Wagen deutlich länger als der mentale Vorgänger Stratos. Wie bei jenem waren auch beim Lancia 037 Rally nur die Hinterräder angetrieben, ein Layout, das zwar Gewicht sparte, aber spätestens mit der Ankunft der vierradangetriebenen Rallye-B-Autos der Konkurrenz von Audi und Peugeot zunehmend zum Nachteil wurde, vor allem, wenn die Strassen nicht so griffig waren.

Nicht auf Anhieb erfolgreich, dann aber doch

Die ersten Rallye-Einsätze waren nicht sonderlich erfolgreich, es gab technisch bedingte Ausfälle, aber ab 1983 stellten sich die Erfolge ein. Walter Röhrl und Markus Alén lösten sich beim Siegen ab und gewannen den Konstrukteurs-WM-Titel. Eine weitgehend trockene Rallye Monte Carlo hatte genauso dazu beigetragen wie die fahrerischen Künste der beiden Fahrer.

Im Jahr 1984 änderte sich dies, da war gegen die Allrad-Rennwagen der Konkurrenz trotz Leistungssteigerung (Evolution 2) nun mehr schwerlich anzukommen. Immerhin gelang Alén noch ein Sieg, bis 1986 nahm noch an WRC-Rallyes teil, der letzte Erfolg war ein 3. Platz von Alén an der Safari-Rallye.

Die gezähmte Strassenversion

Die Strassenversion, die Lancia wegen der Gruppe-B-Regeln 200 Mal bauen musste, wurde im April 1982 am Turiner Automobilsalon erstmals öffentlich gezeigt. Sie unterschied sich nur im Detail von der Rennvariante, kam aber leistungsmässig deutlich gezähmt daher. 205 PS schüttelte der Zweitermotor mit Roots-Gebläse bei 7000 Umdrehungen aus dem Ärmel, statt einer Einspritzung sorgte nun ein Weber-Doppel-Fallstromvergaser für die Befüllung der vier Zylinder.

Wie beim Rallyeauto sorgte ein ZF-Getriebe für die Übertragung der Kraft auf die Hinterräder und auch die Einzelradaufhängungen mit Doppelquerlenkern rundum entsprachen der Rallyevariante. Etwas Komfort in Form elektrischer Fensterheber und einem geschmackvoll ausstaffierten Interieur kam dazu, etwas Isolation und eine wirksame Geräuschdämpfung am Auspuff ebenso, was das auf 1163 kg angestiegene Gewicht der Strassenversion, die nun gemeinhin einfach Lancia Rally genannt wurde, erklärte.

Auch optisch stand der Strassenflitzer mit seinen dreiteiligen 16-Zoll-Leichtmetallrädern mit P7-Bereifung dem Rennwagen kaum nach, das Karosseriekleid, das mit Ausnahme der Türen aus Kunststoff bestand, sah bestechend aus und verströmte jede Menge Rennatmosphäre, woran die doppelten Buckel auf dem Dach sicherlich ihren Anteil hatten. Aber auch das Heckfenster, das einen direkt auf den appetitlich servierten Motor blicken liess und der optional montierbare Heckspoiler erinnerten daran, dass der eigentliche Einsatzzweck des Lancia die Rallye-Pfade waren.

Lancia nahm keine Abkürzungen. Die Strassenversion des Rally wurde aufwändigen Aufprallversuchen – ein Aufpralltest mit 80 km/h zeigte, dass die Mittelzelle sicher war, die Türen liessen sich immer noch öffnen – unterzogen. Zudem testete Qualitätsmanager Giorgio Pianta jeden 037 vor der Auslieferung ausgiebig.

Fehlendes Temperament?

Jeder mit ein wenig Benzin im Blut sehnte sich im Jahr 1982 danach, den neuen Lancia probezufahren, Auto Motor und Sport war es gleich zweimal gegönnt, auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen. Doch zuvor musste körperliche Flexibilität bewiesen werden: “Will man mit dem Rally losfahren, ist einiges an Gelenkigkeit vonnöten, denn der Einstieg gestaltet sich umständlich; eine stabile Längstraverse des Überrollkäfigs im unteren Drittel der Türöffnung erschwert das Platznehmen erheblich”, erklärte Paul Schinhofen in seinem Bericht. Dafür gab es an der Rundumsicht nichts zu bemängeln, zumindest solange nicht, bis der hoch aufragende Heckspoiler nicht montiert war. Mit Flügel war die Sicht nach hinten gleich Null.

Während der Testwagen im Jahr 1982 mit  einer Höchstgeschwindigkeit von 227,8 km/h die Werksangabe deutlich übertraf, zeigte er sich mit einer Spurtzeit von 7,6 Sekunden in der Standard-Disziplin 0 bis 100 km/h fast zehn Prozent langsamer als die Werksvorgabe von 7 Sekunden. “Besonders im oberen Drehzahlbereich wirkt das Kompressor-Aggregat nicht mehr sehr drehwillig”, monierte Schinhofen und zog auch gleich noch die Parallele zum Stratos der Siebzigerjahre, der in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h gespurtet war und immerhin 236,8 km/h Spitze erreicht hatte. Immerhin aber bot der Kompresssormotor “eine füllige Drehmomentcharakteristik” und liess sich schaltarm, aber nicht gerade sparsam (14,9 Liter pro 100 km) fahren.

Muskeln und Konzentration erforderlich

Konnte man dem Wagen fehlende Muskeln vorwerfen, so war der Pilot ohne solche aufgeschmissen. Insbesondere das Wechseln der Gänge fordere einen hohen Kraftaufwand, meinte Schinhofen, genauso wie das Aus- und Einkuppeln. Das aufwändige Fahrwerk (hinten mit zwei Dämpfern pro Rad) und vielen Einstellmöglichkeiten ermöglichte dem Mittelmotorsportwagen hohe Kurvengeschwindigkeiten. Nach dem Abreissen der Haftung übersteuerte der Wagen konzeptbedingt.

Der Geradeauslauf war reifenbedingt unbefriedigend und beim Bremsen aus hohen Geschwindigkeiten gab sich der Lancia mit vorzeitigen Blockieren neigenden Hinterräder als etwas labil, fand zumindest Schinhofen. Immerhin aber konnte kein Fading festgestellt werden, was bei den grossen und belüfteten Scheibenbremsen auch überrascht hätte.

Als Preis wurde damals rund DM 80 000.- oder der gleiche Betrag in Franken geschätzt, die 200-er-Serie aber im Spätsommer 1982 bereits als weitgehend ausverkauft vermeldet.

So ganz stimmte das wohl nicht, schliesslich konnte man zumindest in Italien noch einige Zeit später neue Autos für weniger Geld kaufen.

Wertvoll geworden

Fünfstellige Preise für einen gut erhaltenen Lancia 037 Rally sind allerdings schon lange passé, Bonhams jedenfalls hatte für die an der Versteigerung in Scottsdale am 18. Januar 2018 angebotene Chassisnummer ZLA151AR000000106 einen Schätzwert von USD 350 000 bis 450 000 angesetzt. Es dürfte sich bei dem Exemplar auch um einen der wenigen komplett restaurierten Wagen im Neuzustand handeln. Die Bieter zogen mit, der 037 wurde für USD 451 000 verkauft.

Quellenangabe: https://www.zwischengas.com/de/FT/fahrzeugberichte/Lancia-037-Rally-der-letzte-Klassiker-im-Rallye-Sport.html

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